Nach einer so erfolgreichen Saison mit einem Sieg in jedem Rennen, ist dir klar das es so nicht für immer weitergehen kann. Aber wenn ein Wochenende wie das Biketoberfest vor einem liegt, mit Erik Buell als Gast, willst Du einfach gut aussehen. Noch 2 Rennen liegen vor uns, die Meisterschaft ist bereits nach Hause gefahren, könnte man es etwas leichter nehmen -meint man. Aber wenn im Racing Dinge schief gehen können dann tun sie das zumeist....
Unsere EBR Rennmaschinen war recht zuverlässig über die Saison hinweg. Das 1125RR Bastardbike, mit den breiten Kühlern, lief das ganze Jahr problemlos ohne das der Motor ein einziges Mal geöffnet wurde, sie war unsere Geheimwaffe, schnell und zuverlässig. Die schnellere 1190 RR-B machte etwas mehr Kopfschmerzen, Problem waren die Zylinderkopfdichtungen die wir anfangs nach jedem Wochenende ersetzen mussten. Daher kamen die Gerüchte wir hätten für jedes Rennen einen neuen Motor gebraucht, -totaler Unsinn, das Team hatte über die ganze Saison nicht einen einzigen Reservemotor. Was nach dem Rennen auf dem “Schleizer Dreieck” für grosse Probleme sorgte als sich dort die Kurbelwelle der 1190 verabschiedete.
In Anbetracht unserer Zeit- und Ersatzteilsituation orderten wir bei EBR in East Troy einen 1190er Unterbau der dort gerade fertig montiert war. Alex Kucis von M-TeK Engineering, Motorenbauer des Teams, komplettierte den Motor mit unseren gebrauchten Kolben, Zylindern und Köpfen, das sollte es für den Saisonabschluß tun.
Den Donnerstag begannen wir entspannt, Harald rollte ein wenig mit beiden Motorrädern herum und alles sah gut aus. Rennwochenden mit freien Turns am Donnerstag fühlen sich immer so an als würde unendlich Zeit für alles sein, allerdings nur genau solange bis etwas absolut schief geht. Das vor uns liegende Wochenende war etwas ganz besonderes, wir hatten den Buell Trackday, wir hatten Erik als Gast, wir hatten mehr Motorräder denn je -inklusive unserem Racetaxiprojekt auf der Strecke, wir hatten jede Menge Presse vor Ort, auch aus den USA und uns fehlten 3 Leute an diesem Wochenende im Team. Ehrlicherweise waren wir auf recht dünnem Eis unterwegs, aber wir fühlten uns gut vorbereitet, wenn Überraschungen ausblieben sollte alles passen.
Im Rennsport kommt Erfolg nie von selber, er ist immer das Ergebnis harter Arbeit. Es gibt Tage da hast Du Glück, aber Du hast dieses Glück nicht eine Saison lang und wirklich schnelle Rennrunden sind niemals Glück, sie sind das Resultat eines perfekt ausbalancierten Systems aus Fahrer, Maschine und Team. Und selbst dann wenn Du alles zu 100% richtig gemacht hast gibt es weitere 1000 Faktoren da draussen die dir die Show stehlen wollen.
Freitag um die Mittagszeit quittierte die flammneue Kurbelwelle der 1190 RR-B ihren Dienst, Motorschaden.
Keine Zeit für lange Gesichter, gemeinsam beschließen wir uns nicht allein auf das betagte T-Bike zu verlassen. Alex und Christian unser Chefmechaniker sollten sofort mit dem kaputten Motorrad zur 230km entfernten M-TeK Werkstatt fahren, und versuchen über Nacht einen neuen Motor zu bauen. Ich sollte in der Lage sein mit den Resten des Teams (und eingen Helfern) den Rennbetrieb für 24h aufrechtzuhalten.
Freitag am späten Nachmittag, nach einer Gesamtlebensdauer von 4.500km auf der Rennstrecke, setzt der hintere Zylinder der EBR 1125RR in letzten freien Training aus.
Jetzt wurde es interessant, am wichtigsten Wochenende des Jahres, hunderte von Fans an der Strecke und Harald Kitsch unqualifiziert und ohne Motorrad für das Sound of Thunderrennen am Samstag. Spätestens morgen Mittag sollten wir eines der Motorräder wieder am laufen haben, ansonsten würden wir nicht wirklich gut aussehen...
In dieser Nacht gingen die Lichter bei M-TeK und im Fahrerlager nicht aus. Nachdem der 1190er Motor ausgebaut war, wurde schnell klar, das Unterteil ist Geschichte. Alex würde nun versuchen mit verbleibenden Teilen und einer Serienkurbelwelle über Nacht einen Rennmotor zu bauen.
Erik Buell rockt mit den Black Angels und den Buellfans im Zelt in Oschersleben während in Box 30 die Gesichter länger und länger werden, die Hoffnung ein Plan “B” Bike, in Form einer reanimierten 1125RR zu bekommen, werden immer geringer. Der erste Hinweis auf ein Kraftstoffproblem konnte nicht bestätigt werden, um 2:30 ist wieder alles zusmmengebaut und aufgeräumt, Diagnose: ein vor Ort irreparables mechanisches Problem am hinteren Zylinder. Jetzt liegt alle Hoffnung allein auf dem 1190er Team.
Christian hatte ein paar Stunden geschlafen, dann übernahm er es den Motor zurück ins Chassis zu stecken und um 9.00 Uhr morgens brüllt die 1190RR erstmals auf dem Prüfstand. 3h Restzeit und 230km zu fahren bis das letzte Sound of Thunder Qualifying startet...
Wie wir wissen, hat der 3,5to Mercedes Sprinter seinen Limiter bei165 km/h, also ist ein “Flight under the radar” zurück die einzige Option, Christian fährt während Alex versucht ein wenig Schlaf zu bekommen.
Inzwischen hat sich in Oschersleben das Fahrerlager mit jeder Menge Buellfans gefüllt und die ersten fragen wo die 1190 RR-B ist und wie das Qualifying laufe... “nun ja, wir arbeiten dran”.
Das Team präpariert die Räder mit den geheizten Reifen, die fehlenden Teile um da Motorrad zu komplettieren -so es denn rechtzeitig kommt, den TRANSPONDER (Insider wissen was ich damit sagen will...), Sprit und alles weitere was notwendig werden könnte um ein Motorrad das zerlegt war innerhalb von 15 Minuten auf die Strecke zu bringen.
Der Transport hat 28Km entfernt die Autobahn verlassen und rollt nun über die Landstrasse, wir sprechen mit dem Tor ab das wir ohne Verzögerung durchgewunken werden. Dann kommen sie an, Birgit brült ein paar Autos aus dem Weg die vor dem Tor stehen, vor der Box fliegen die Türen des Transporters auf, Alex startet das Bike um Betriebstemperatur zu bekommen, ausladen rein in die Box, jeder Handgriff sitzt. Wird der Motor 2 Rennen überstehen? Alex berichtet von heftigen Vibrationen auf dem Prüfstand wegen der ungewuchteten Kurbelwelle, aber das war was wir hatten.... Räder rein, den Transponder nicht vergessen, Bodywork montieren, letzter Ölcheck, kurzes Briefing mit Harald, alles fertig, noch 8 Minuten bis grün.....
Was für ein Team, was für grossartige Individualisten, pure Kompetenz und ein absoluter Wille einen begonnenen Job erfolgreich zu Ende zu bringen. Nicht immer einfach zu handeln, aber unter Stress unbeirrbar präzise und knallhart in der Umsetzung der Ziele.
Fahrer draussen! Ich gehe zu meinem Platz an der Boxenmauer zähle Runden und Zeiten und höre gebannt auf den Motor wenn Harald die Start/Ziel herunterkommt. Er versucht die Pole, was sonst? Das Qualifying ist zusammen mit den Superbikes, die hatten diesen Tag schon 2 Turns und fuhren wirklich schnell, zur Halbzeit ist Harald total 3., kommt herein um sich einen neuen Hinterreifen zu holen, wieder raus, 2 Umläufe um Schwung zu holen, dann eine letzte schnelle Runde.
POLE! Wir haben es geschaftt, Erik neben mir kann es kaum glauben, NEVER QUIT!
Eine Qualy ist noch kein Rennen und Harald berichtet das die Vibrationen so stark sind das er fast nichts sehen kann und er über die Distanz erhebliche Schmerzen in den Händen bekommt. Einige Teile haben die Verbindung zum Motorrad verloren, die Verkleidungsscheibe hat links sämtliche Schrauben abgeschüttelt und hängt herunter. Wenn wir die Auswirkungen der Vibrationen nicht in den Griff bekommen werden wir das Rennen nicht beenden.
Also montierten wir verchromte Stahllenkerendengewichte geliehen von einer Buell S1 aus der Custombikeshow (danke Ares) am Ende der Stummellenker, setzten alle Elektronikteile auf Zellkautschuk und verstärkten die Verbindungen mit vielen Metern Tape. Harald verwendet die dicksten Wangenpolster in seinem Helm um seinen Blick zu schärfen und meint “bleibt cool, wir machen das schon”.
Das Sound of Thunderrennen am Samstag (ab sofort BEARS) brachte eine weitere schnellste Rennrunde und Sieg Nr. 8.
Im Sonntagsrennen wieder schnellste Runde und Sieg Nr. 9. Harald Kitsch und das Pegasusraceteam erreichten mit der Erik Buell Racing 1190RR-B in den 2010er Sound of Thunderrennen, 9 mal Pole, 9 mal schnellste Rennrunden und 9 Siege in Folge und erringen mit 225 von 225 möglichen Punkten die Sound of Thunder Meisterschaft.
Schlechter Wettbewerb? Überhaupt nicht. Zu wenig Wettbewerber, ganz bestimmt. Die über das Jahr gefahrenen Rundenzeiten, die teilweise auf IDM Mittelfeldniveau lagen, zeigen klar, das Paket Harald Kitsch und der EBR Twin sind aussergewöhnlich schnell.
Wir wollten Erik Buell zum Abschied eine Freude machen mit eiem letzten Rennen des Jahres in der Superbike open >>>
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